Partnerstadt Positano

Impressionen aus Positano

Seit dem Jahr 2000 besteht eine Städtepartnerschaft und enge Freundschaft zwischen Thurnau und dem an der italienischen Amalfiküste gelegenen Positano. Es ist eine herzliche und von den Bürgern beider Orte gelebte Partnerschaft, die von zahlreichen gegenseitigen Besuchen getragen wird. 

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Bürgerbegegnung 2017 mit Gästen aus unserer Partnerstadt Positano: „Nie war das gemeinsame Europa wichtiger als heute“

Auszug aus dem eingereichten Abschlussbericht

Kurzbeschreibung (Projektthema, Ergebnisse, Teilnehmer)

Unter der Thematik „Nie war das gemeinsame Europa wichtiger als heute“ führten wir im Zeitraum vom 5. – 13. Dezember 2017 eine Bürgerbegegnung mit Gästen aus unserer Partnerstadt Positano (Italien) durch. Das Projekt beschäftigte sich mit der aktuellen Lage in Europa und den durch negative Entwicklungen und Einflüssen entstehenden Herausforderungen für Politiker und Bürger. Einen anderen Schwerpunkt bildete die Zuwanderung und Integration von Geflüchteten. Den geschichtlichen Teil unseres Projekts realisierten wir mit Standortbesuchen in Erfurt und Coburg. Mit der Gemäldeausstellung von Paula Bärenfänger und der Vorstellung der Pläne für den zu errichtenden „Positano-Platz“ setzte der Markt Thurnau ein Zeichen für die Beständigkeit der Städtepartnerschaft und die Verbundenheit mit der Comune di Positano und ihren Bürgern.

Im Mittelpunkt der ersten Tage standen eine Pro-und-Contra-Diskussion mit dem Landrat des Landkreises Kulmbach, Klaus-Peter Söllner, Vertretern der Comune di Positano und Bürgern beider Partnerstädte zum Thema „Welches Europa wünschen wir uns“, ein Besuch in einem international tätigen Unternehmen zum Thema „Brexit“ und ein Informationsvortrag über die Entstehungsgeschichte und die Verträge der Europäischen Union im Europäischen Infor­ma­tionszentrum Erfurt.

Die Zusammenkunft mit Migranten aus dem Iran, die Gespräche und die anschließende Diskussion gehörten wohl zu den eindrucksvollsten Veranstaltungen der Bürgerbegegnung. In Thurnau lebende Geflüchtete schilderten die Situation in ihrer Heimat und die Beweggründe ihrer Flucht. Sie berichteten von ihrem Fluchtweg, ihrem Aufenthalt in Flüchtlingslagern und erzählten ihre Erlebnisse und Erfahrungen bei der Eingliederung in unsere Gesellschaft. Vertreter des Helferkreises schilderten ihre vielseitigen ehrenamtlichen Tätigkeiten bei der Betreuung von Geflüchteten. Informationen zum Asyl- und Bleiberecht und die von staatlicher Seite angebotenen Hilfen und Maßnahmen zur Integration ergänzten die Beiträge dieses Thementages.

Der Europäische Festabend auf Schloss Thurnau, an dem führende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft der Region Oberfranken teilnahmen, stand ganz im Zeichen der Partnerschaft und Freundschaft zwischen Positano und Thurnau. Die Festrede von Herrn Heribert Trunk war Motivation und Appell zugleich für ein friedliches, einiges und selbstbewusstes Europa.

An der Bürgerbegegnung beteiligten sich 28 Bürger aus Positano (Italien) und 340 Bürger aus Thurnau (Deutschland) direkt und aktiv. Durch engagierte Öffentlichkeitsarbeit erreichten wir schätzungsweise rund 15000 indirekte Teilnehmer.

Durch die sorgfältige Auswahl der Einzelthemen und die erfolgreiche Durchführung der Veranstaltungen ist es in hervorragender Weise gelungen, die am Projekt beteiligten Bürger für europäische Themen und die aktuelle europäische Politik zu sensibilisieren. Anhand mehrerer Vorträge und gezielter Informationen konnten alle Teilnehmer ihre Kenntnisse über die Europäische Union erweitern. Durch die Unterbringung der Gäste in deutschen Familien und kritisch geführte Diskussionen war während der gesamten Begegnung ein fortgesetzter interaktiver Dialog gewährleistet, der dazu geeignet war, die partnerschaftlichen Verbindungen zu stärken. Die Teilnehmer konnten ihre Meinungen und Standpunkte darlegen und untereinander Argumente austauschen. Der Abbau von Vorurteilen gegenüber Deutschland als dominierendes Mitglied der Europäischen Union war gleichermaßen spürbar wie die Zunahme von Toleranz und Verständnis gegenüber Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern und Kulturkreisen.

Auswirkung und Bürgerbeteiligung

Nach weit verbreiteter Meinung sind Menschen in Süditalien nur wenig an gemeinschaftlichen Themen Europas interessiert. Wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im eigenen Land haben die Einheimischen mehr Interesse an Dingen, die unmittelbar vor Ort in der Stadt oder Gemeinde passieren. Fragen zur Organisation und Funktion des öffentlichen Gemeinwesens, zu Korruption und Vetternwirtschaft und vor allem zur hohen Arbeitslosigkeit finden gerade im Süden in der Regel mehr Beachtung als Entscheidungen im fernen Brüssel. Hinzu kommen die Probleme wegen der großen Anzahl von Geflüchteten und der damit verbundene Eindruck, vergebens auf Hilfen und Unterstützung aus Europa gewartet zu haben. Viele Bürger Süditaliens fühlen sich durch Politiker im eigenen Land und im Europäischen Parlament nicht genügend repräsentiert. Das beschriebene Meinungsbild entsprach mehrheitlich auch unserer bisherigen Erfahrung. So war es die größte Herausforderung unseres Projekts, dem Euroskeptizismus unserer italienischen Gäste zu begegnen und gefestigte Sichtweisen zu verändern.

Die Konzeption unseres Programms stützte sich vorwiegend auf Vorträge und Informationen von Experten aus Politik und Wirtschaft unserer Region zu aktuellen Europathemen. Der Besuch eines international tätigen Unternehmens, die Begegnung mit Geflüchteten aus dem Iran und nicht zuletzt die historischen Stadtrundgänge waren weitere wichtige Maßnahmen zur Umsetzung unserer Projektziele. Im Anschluss an die jeweiligen Veranstaltungen war stets die aktive Beteiligung der Teilnehmer im Rahmen von Diskussionen gewährleistet. Durch die Aktualität und Brisanz der Themen kamen während der gesamten Begegnung stets intensive Diskussionen zustande. Die Teilnehmer tauschten nicht nur während der einzelnen Aktionen, sondern weit darüber hinaus ihre Meinungen aus. Im Verlauf der Bürgerbegegnung war ein stets zunehmendes Interesse an den Programmthemen zu spüren. Die Erkenntnis am Ende der Begegnung, dass es durch die intensive Beteiligung der Teilnehmer gelungen ist, vorgefasste Meinungen zu revidieren und zu entkräften, benennen wir als wichtigste Errungenschaft unseres Projekts. Der positive Eindruck der Bürgerbegegnung hat dazu geführt, dass nach Rückkehr unserer Gäste nach Positano sowohl von Seiten der Comune di Positano als auch von engagierten Bürgern umgehend mit der Vorbereitung der in Positano Ende Oktober 2018 stattfindenden Bürgerbegegnung begonnen wurde. Durch die regelmäßigen Begegnungen ist der Kontakt zwischen den Partnerstädten und ihren Bürgern immer intensiver geworden. Das Projekt 2017 „Nie war das gemeinsame Europa wichtiger als heute“ mit seinem starken Bezug zu Europa stellt in der Geschichte der Städtepartnerschaft einen weiteren Meilenstein dar. Zwischen Positano und Thurnau finden offizielle Begegnungen im jährlichen Wechsel statt. Aktuelle Themen aus Politik und Wirtschaft bieten bei der Planung und Realisierung stets neue Herausforderungen und sorgen dadurch für entsprechende Attraktivität und Abwechslung bei der Gestaltung. Für die Zukunft unserer Städtepartnerschaft gibt es bereits zum jetzigen Zeitpunkt viele weitere Projektideen, so dass wir von der dynamischen Weiterentwicklung unserer Partnerschaft fest überzeugt sind.

Direkte Zeugnisse von Projektteilnehmern

Berto Antonicelli, Ingenieur, freier Mitarbeiter der Comune di Positano: „Ich denke, dieses Programm hat Europa fassbar gemacht. Das Projekt hat die Idee der europäischen Gründerväter in die Realität umgesetzt. Diese Idee war es, gegenseitig die europäischen Völker und deren Kultur kennenzulernen. Ich habe erfahren, dass es wesentlich mehr Gemeinsamkeiten gibt, als ich dachte. Zum Beispiel die Ausstellung von Paula Bärenfänger, eine Künstlerin, die unsere Völker verbindet, auch das Beispiel der Integration von Flüchtlingen und Migranten. Ich denke, der gemeinsame Weg muss weitergegangen werden als Vorbild für andere Völker. Nur das Miteinander der Bürger Europas macht die Europäische Union fassbar und konkreter.“

Antonio Palumbo, Consigliere der Comune di Positano:

„Das vorgestellte Projekt hat unser Wissen über Europa bereichert und dies unter den verschiedenen Aspekten Kultur, Geschichte und aktuelle Geschehnisse – Kultur: Ausstellung Paula Bärenfänger; Geschichte: Besichtigung der Städte Erfurt und Coburg; aktuelle Geschehnisse: Diskussion im Lichtblick, Erzählungen der Flüchtlinge.

Die Projekte im Rahmen unserer Städtepartnerschaft haben im Laufe der Jahre fassbare Ergebnisse gebracht, zum Beispiel der Thurnau-Platz in Positano und der im Entstehen begriffene Positano-Platz. Diese Projekte sind in unseren Herzen und geben uns Kraft für zukünftige Projekte.“

Rosaria Ferrara, Presidentessa Associazione per i gemellaggi:

„Ich war schon so oft in Thurnau, dieses Mal war ein Programmpunkt der Kontakt mit Flüchtlingen aus dem Iran, die aus religiösen Gründen ihr Land verlassen mussten. Ich war sehr beeindruckt und es hat mich sehr bewegt, wie die Menschen in Thurnau aufgenommen werden, in die Gesellschaft eingeführt werden und Hilfe erfahren.

Auch wir Italiener werden von Euch immer bestens aufgenommen und wir fühlen uns wie zuhause. Zwischen uns sind keine Grenzen, wir sind alle Bürger von Europa.“

Schlüsselbotschaften der am Projekt beteiligten Bürger/Wichtige Botschaften zum Thema „Warum ein gemeinsames Europa so wichtig ist“:

  • „Europa steht politisch und wirtschaftlich vor nie gekannten Herausforderungen und kann nur gemeinsam im globalisierten Wettbewerb bestehen.“
  • „Die Krisen durch Migrationsströme, Klimawandel, Bedrohung der Weltordnung durch Autokraten und Terrorismus können nicht von einzelnen Mitgliedstaaten sondern nur von einer in der Sache einigen und starken Gemeinschaft gelöst werden.“
  • „Wir brauchen eine volle parlamentarische Demokratie in Europa mit einem starken, direkt gewählten Parlament und einen vom Volk gewählten Kommissionspräsidenten.“
  • „Wenn wir Europa leben und nicht einfach verwalten, bewältigen wir die kommenden Herausforderungen und können den Erfolgsweg Europa fortsetzen.“
  • „Das Friedensprojekt Europa ist auch heute noch alles andere als eine Selbstverständlichkeit.“
  • „Wir brauchen ein Klima der Zuversicht. Denn nur mit einem positiven Blick in die Zukunft investieren Unternehmen und schaffen Werte und Arbeitsplätze.“

Wichtige Botschaften zum Thema „Europa und die Flüchtlingskrise“:

  • „Europa hat in der Flüchtlingskrise anfangs versagt. Man hätte viel früher und besser reagieren können, wenn man die Situation ernster genommen und Italien und Griechenland nicht alleine gelassen hätte.“
  • „Es ist die Aufgabe europäischer Politik, die Umverteilung von Flüchtlingen in Europa zu regeln.“
  • „Notwendig ist in jedem Fall eine gerechte Verteilung. Die Weigerung von Mitgliedsstaaten, Geflüchtete aufzunehmen, darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.“

Wichtige Botschaften zum Thema „Euroskeptizismus, Brexit und andere antieuropäische Entwicklungen“:

  • „Europa ist mehr als die Summe nationaler Interessen.“
  • „Die nationalen Regierungen müssen mit ihrer Europakritik aufhören, zu den getroffenen Entscheidungen stehen und für die gemeinsame europäische Politik werben.“
  • „Ein Zurück zu nationalen Grenzen oder gar nationalen Währungen darf es aus der Sicht der Wirtschaft nicht geben.“
  • „Die Konkurrenten stehen nicht irgendwo in Europa. Es sind andere Kontinente.“
  • „Nationale Sichtweisen schaffen Misstrauen und erinnern an den Zerfall der Sowjetunion oder Jugoslawiens.“
  • „Möglicherweise bietet der Austritt Großbritanniens die Chance, dass der Rest Europas näher zusammenrückt.“
  • „Europa ist eine Rechtsgemeinschaft – kein Selbstbedienungsladen. Regeln müssen eingehalten werden.“

Wichtige Botschaften zum Thema „Europa und der Integrationsprozess“:

  • „Wissen und akzeptieren, dass andere anders sind – diese Grundregel steht für eine vertrauensvolle und funktionierende Partnerschaft, in der es möglich ist, in Frieden zu leben.“
  • „Hier wird der europäische Gedanke gelebt, hier gehen zwei Kulturen direkt aufeinander zu, lernen sich kennen und tauschen sich aus. So soll Europa funktionieren.“
  • „Auf dem Weg zu einem starken und einigen Europa müssen sich seine Bürger besser kennenlernen. Ziel muss es sein, nationale Egoismen zu überwinden und die europäische Integration weiter voranzutreiben.“

In welchem Umfang haben sich die Beziehungen der Bürger zur EU verändert?

Durch den engen Kontakt in den Gastfamilien wurden die Sprachkenntnisse erweitert und Verständnis für andere Lebensweisen entwickelt. Berührungsängste und Kontakthemmnisse wegen der anderen Sprache, Kultur und Herkunft konnten beseitigt werden.

Bei Vorträgen und Diskussionen zu aktuellen europäischen Themen haben die Teilnehmer ihr Wissen über die Europäische Union vergrößert. Das Interesse an einem gemeinsamen Europa wurde gestärkt. Bisherige Sicht- und Denkweisen veränderten sich. Mit steigender Dauer der Bürgerbegegnung öffneten sich die Teilnehmer zunehmend für politische Themen und europäische Belange, was aus entsprechenden Reaktionen, Bemerkungen, der Diskussionsfreude und einem regen Meinungsaustausch zu erkennen war.

Die Begegnung mit den Flüchtlingen dient als namhaftes Beispiel für Vertrauensbildung, wachsender Toleranz und zunehmendem Verständnis der Teilnehmer gegenüber Menschen anderer Herkunft aber auch für den Abbau von Vorurteilen gegenüber europäischen Entscheidungen. Der vorhandene Euroskeptizismus hat sich in Aufgeschlossenheit und Wohlwollen gewandelt, die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns, des solidarischen Miteinander und demokratischen Zusammenhalts ist den Teilnehmern bewusst geworden.